Mit Japan punkten
Gleich mehrere Showrooms unterhält der japanische Möbelhersteller Time & Style in der MailänderInnenstadt als internationale Bühne. Bild: Time & Style
Japanisches Möbeldesign. Die japanische Kultur war lange Zeit isoliert und wirkt heute noch oft exotisch. Durch Kooperationen mit europäischen Designern hat sich so mancher Möbelbauer in der internationalen Szene etabliert mit Entwürfen, die ankommen.
An der japanischen Ästhetik kommt keiner vorbei. Im Gegenteil, wer Gestaltung als Berufung empfindet, sucht Wege nach und in Japan. Und auch der Handwerker gerät angesichts der Werkzeuge ins Schwärmen.
Eine Ursache für die einzigartige japanische Kultur sei in der Geschichte zu finden, das kann man immer wieder lesen. Weil das Land und seine Menschen, ihre Erinnerungen und Ideen für eine Zukunft während der unfassbaren Zeitspanne von über zwei Jahrhunderten isoliert gewesen ist, seien Traditionen wichtiger als anderswo. Die Sakoku, wörtlich für Landesabschlies-sung, begann in den 1630er-Jahren und dauerte bis 1853 an. Während dieser Zeit blieben die Japaner im Land und alle anderen draussen. Kein Austausch und kein Handel in einer Zeit, in der man noch nicht einmal das Telefon kannte.
Um japanische Formensprache zu verstehen, muss man weiter beachten, dass der Shintoismus als traditioneller Glaube in Japan die Verbundenheit zwischen Mensch und Natur und die Bedeutung der Gottheiten betont. Gottheiten sind in allen Dingen und Phänomenen präsent. Damit ist auch ein Roboter beseelt.
Und so stellt das Bild vom hypermodernen Japan mit uralten Traditionen keinen Widerspruch dar, zumindest wenn man es aus der Perspektive des Shintoismus betrachtet. Deshalb passt alles so gut zusammen im japanischen Design, und man ist generell gegenüber dem Neuen sehr aufgeschlossen. Die lange Zeit der Isolation macht heute vielleicht das Besondere aus.
In Europa angekommen
Fakt ist: In den letzten Jahren hat die Präsenz japanischer Möbelbauer und Designlabels in Europa zugenommen. Allen voran ist es das Umfeld der Mailänder Möbelmesse, an der zahlreiche Produzenten ihre Arbeiten zeigen. Die noch junge Marke Time & Style aus Hokkaido etwa gibt es seit 2008. Neben Showrooms in verschiedenen Städten in Japan unterhält das Unternehmen eine ausladende Präsentation im Stadtteil Brera in Mailand. Einen weiteren Showroom gibt es in Amsterdam, und auch in Kopenhagen ist man dieser Tage beim Festival 3daysofdesign mit dabei.
Das Rezept: Zeitgenössisches Design mit traditionellen Elementen in perfektem Handwerk aus hochwertigen Materialien – fertig ist das Bild vom heutigen Japan. Aus etwa 500 Stämmen pro Jahr fertigt das Unternehmen Kumiko, Kastenmöbel, Gestellmöbel und Leuchten. Das Holz dafür wird über längere Zeit schonend getrocknet, was zu einem guten Stehvermögen führen soll. Auch sonst ist man bestrebt, traditionelle Handwerkstechniken in den Möbelbau mit einfliessen zu lassen.
Neuem gegenüber zeigt man sich gleichzeitig offen. So kooperiert man mit europäischen Gestaltern, wie etwa dem Schweizer Architekten Peter Zumthor. Seine Geradlinigkeit passt gut zur japanischen minimalistischen Grundhaltung. Auch andere japanische Möbelhersteller setzen auf die Zusammenarbeit mit europäischen Akteuren. Das scheint durchaus ein wichtiger Punkt für den Erfolg zu sein. Beim Label Ritzwell etwa gehört es von der ersten Stunde an zum Firmenkonzept, auch europäische Einflüsse in die Designs mit aufzunehmen. Das japanische Unternehmen fertigt vor allem Sitzmöbel als Gestellware. Ein Möbel, bei dem sich die Fusion beider Kulturen besonders fruchtbar manifestiert, vor allem wenn man bedenkt, dass man in Japan traditionell auf den Tatami, den Matten aus Reisstroh, im Fersensitz Platz zu nehmen pflegt.
Auch bei den Korpusmöbeln zeigen sich die Vorteile der Verschmelzung der Kulturen. Traditionelle japanische Korpusmöbel sind eher schwer wirkende Kisten, die nur einen Zweck erfüllen. Der sogenannte Tansu als Kastenmöbel, meist mit auffälligen Metallbeschlägen, passt so gar nicht in europäische Räume. Auch in Japan standen diese Kisten nicht etwa im Wohnraum, sondern separat in Funktionsräumen. Der Wohnraum blieb weitestgehend frei von Möbeln.
Auch hier zeigt sich das Ergebnis der Zusammenarbeit von Europa und Japan als gelungene Entwicklung. Kastenmöbel von Time & Style oder auch Conde House, einem in Deutschland ansässigen Unternehmen, das seit über 50 Jahren zwischen den Kulturen pendelt und dabei stets in Japan produziert, vereinen beide Welten mit Erfolg. Japanische Detailausführung und europäische Wohnform kommen inzwischen erfolgreich zusammen.
Die Liebe zum Detail fasziniert
Sinnbild für die kunstvollen Details sind vor allem die japanischen Holzverbindungen. Knotenpunkte mit sichtbaren Zapfen und Keilen erfreuen die Augen der Betrachter. Für Entzücken sorgen auch die traditionellen Kumiko. Bei dieser Technik werden komplexe Muster aus dünnen Holzstücken zusammengesetzt. Seit über 800 Jahren sollen diese Arbeiten so ausgeführt werden. Mehr als 200 verschiedene Muster, von denen jedes seine Bedeutung hat, soll es geben. Für die Raumteiler wird traditionell Zedernholz verwendet. Der Rahmen hält das ganze Ornament, das in sich selbst spannt. Beim Hersteller Karimoku haben die faltbaren Raumteiler als Kumiko ein Scharnier aus Kordelband. Neben klassischen Arbeiten sucht das Traditionslabel Karimoku immer wieder die Zusammenarbeit mit namhaften Designern. So hat etwa auch das Büro Norman Foster schon designt. Aktuell hat Zaha Hadid Design eine bemerkenswerte Sitzmöbelkollektion aus Holz entworfen. Der aufwendig gearbeitete Lounge Chair muss dem Liebhaber allerdings rund 5000 Franken wert sein.
Aus der Feder eines Italieners
Es sind aber längst nicht nur exklusive Arbeiten, die in Kooperation von japanischem Hersteller und europäischem Designer entstehen. So ist der Möbelhersteller Nagano hauptsächlich in einem mittleren Preissegment tätig. Zum ersten Mal hat das Unternehmen nun ein Möbel im Sortiment, das nicht in Japan designt wurde, sondern aus der Feder des Italieners Giovanni Levanti stammt. Ein Element trägt beim Regal ein gelagertes Tablar. Aufeinander gesteckt ergeben die Module ein raumhohes Regal. Wird es nicht gebraucht, können die Elemente zusammengeklappt platzsparend verräumt werden.
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