Natürlich matte Oberflächen
Linoleum. Bei Schreibtischen und Sekretären wird Linoleum aufgrund seiner angenehmen Haptik besonders gerne eingesetzt. Dank seiner natürlich antibakteriellen und pflegeleichten Eigenschaften macht das Material aber auch in der Küche eine gute Figur.
«Trends kommen und gehen» – diese oft gehörte Redewendung fasst die Natur dieses Phänomens eigentlich ganz gut zusammen. Letztlich ist ein Trend das Spiegelbild einer sich ständig entwickelnden Gesellschaft und zeigt, wohin sich die allgemeinen Bedürfnisse und Geschmäcker bewegen.
Im Innenausbau ist in den letzten Jahren etwa eine solche Bewegung hin zu matten Farben und Oberflächen zu beobachten. So auch in der Küche − sei es bei den Fronten, Arbeitsplatten, Beschlägen oder auch bei den Armaturen. Während besonders bei den Dekoren laufend neue Produkte auf den Markt kommen, feiert zurzeit aber auch ein altbekanntes Material ein kleines Revival. Denn der Werkstoff Linoleum entspricht mit seiner matten Oberfläche, der weichen Haptik und den warmen Farbtönen absolut dem Zeitgeist.
Neue Kollektion
Auch beim gegenwärtigen Ruf nach mehr Umweltbewusstsein kann das Linoleum punkten, da es zu einem Grossteil aus nachwachsenden Rohstoffen wie Leinöl, Holz- und Korkmehl, Naturharzen, Kalksteinpulver, Jute und Farbpigmenten hergestellt wird und biologisch abbaubar ist.
Dass das Material auch ohne zugefügte Farbstoffe überzeugen kann, zeigte Forbo an der Interzum. Der sanfte, gelb-beige Farbton beim pigmentfreien Furniture-Linoleum ist dabei einzig das Ergebnis der natürlichen Bestandteile. In diesem Jahr erschien zudem eine neue Kollektion des Furniture-Linoleums von Forbo mit frischen Trendfarben. Zusätzlichen kreativen Spielraum schafft «Sun Wood by Stainer» mit den veredelten Linoleum-Oberflächen. Mit Laser- und Fräsanlagen erzeugt das Unternehmen aus Österreich etwa 3D-haptische Oberflächen, die zum Beispiel einer Baumrinde oder einem verkohlten Holzstück nachempfunden sind. Mittels kratzfester Farblackierung sind zudem Individualdrucke, Holz- oder Betondesigns sowie Unifarbtöne möglich − unter anderem in Weiss. Dabei bleibt die ursprüngliche Haptik des Produkts beinahe original bestehen, wie das Unternehmen schreibt.
Von der Rolle
Nebst farblich passenden ABS-Kanten gibt es inzwischen auch Kanten aus dem Originalmaterial und ab der Rolle.
So sind etwa bei Ostermann Linoleumkanten in 32 Farbtönen und in den Abmessungen 26, 36 und 46 × 1,2 mm erhältlich. Das Originalmaterial wird dafür vom Papierträger getrennt und auf Kantenmass geschnitten. Die Standardrollenlänge beträgt 29 Meter, und die Mindestabnahmemenge liegt bei einer Rolle. Die Linoleumkanten können sowohl mit der Kantenanleimmaschine als auch manuell verarbeitet werden. Bei der maschinellen Verarbeitung empfiehlt Ostermann die Verwendung eines PUR-Schmelzklebers.
Dass es bei den Kantendetails aber durchaus auch mal ein wenig Kontrast sein darf, zeigt ein Projekt der Schreinerei Spicher AG aus dem aargauischen Brugg. Für eine Mietwohnung in Uitikon-Waldegg ZH durfte das Unternehmen eine Küche mit Linoleum belegten Korpusteilen und Fronten umsetzen. Feine Details in Eiche bei den Kanten und Griffmulden bilden einen Kontrast zu den beiden Grüntönen «Conifer» und «Pistachio». Auch im Innenleben der gezinkten Schubladen und den Nischen der Hochschränke zieht sich die Materialkombination weiter.
Vor einem Vierteljahrhundert
Während die raumhohe Hochschrankinsel auf der Seite der Küche Platz bietet für Kühlschrank, Backofen und Steamer, bildet sie gleichzeitig auch den Eingangsbereich der Wohnung. Die beiden äusseren Ecken der Hochschränke sind auf dieser Seite mit Rundungen ausgeführt. Das Linoleum habe man hierfür mit der Vakuumpresse aufgeleimt, wie Samuel Blaser, Inhaber und Geschäftsführer der Schreinerei Spicher AG, sagt. Bei der Verarbeitung kann das Unternehmen auf reichlich Erfahrung mit dem Material zurückgreifen. «Unsere erste Lino-Küche ging wohl etwa vor 25 Jahren raus», sagt Blaser. «Am Linoleum gefällt mir besonders, dass es schön altert und über die Zeit eine eigene Patina bildet, wie dies auch bei Leder der Fall ist.» So habe man auch nach 20 Jahren immer noch ein hochwertiges Produkt. Denn anders als bei einem Lack oder Kunstharz, wo schnell einmal die Grundierungsschicht hervorkommt, sind kleine Kratzer dank der durchgefärbten, dicken Deckschicht kaum zu sehen und verschwinden zuweilen auch wieder.
Walnuss und Radierschwamm
Apropos Kratzer: Die Selbstheilungseigenschaften des Materials können auch mit einer Walnuss unterstützt werden, wie der Hersteller Forbo in einem Video demonstriert. Dafür wird einfach mit der geschälten Nuss über den Kratzer gerieben und mit einem feuchten Tuch nachgewischt.
Ein feuchtes Tuch sei generell auch bei der Reinigung die richtige Wahl. «Auf scharfe Reinigungsmittel sollte man unbedingt verzichten», sagt Blaser. «Wasser und falls nötig eine milde Seife reichen vollkommen aus.» Für stärkere Verschmutzungen könne man auch mal einen Radierschwamm nehmen. Allerdings sollten dann immer ganze Flächen und nicht nur einzelne Stellen bearbeitet werden.
Bei starken Beschädigungen empfiehlt der Fachmann in der Regel den Austausch der entsprechenden Fläche. «Wir schleifen das Linoleum nur, wenn es wirklich nicht anders geht, denn es ist sehr aufwendig», sagt Blaser. Besonders herausfordernd sei es, nach dem Schleifen wieder den richtigen Glanzgrad zu erreichen. «Ein Ersatz ist deshalb in den meisten Fällen einfacher.»
Allerdings müsse man die Kunden im Vorfeld dafür sensibilisieren, dass es zu leichten Farbdifferenzen zwischen neuen und bestehenden Flächen kommen kann. «Innerhalb eines Jahres gleicht sich dies aber meistens wieder aus», sagt Blaser.
Linoleumabdeckung
Vor der Entscheidung, ob eine Linoleumfläche ersetzt oder abgeschliffen werden soll, steht zurzeit auch Noëmi Bossard, Gründerin der Bosco Möbel GmbH in Münchenstein BL. Vor rund vier Jahren realisierte die Schreinerin und diplomierte Künstlerin eine Küche mit Kunstharzfronten und einer mit Linoleum belegten Arbeitsplatte in einer Altbauwohnung.
Die ungewöhnliche Materialisierung erfolgte auf expliziten Kundenwunsch. «Ich habe zunächst davon abgeraten, weil ich mir die Reklamationen nach einigen Wochen bereits ausmalen konnte», sagt Bossard. Nach eingehenden Gesprächen mit den Kunden und einigen Praxisversuchen habe sie sich aber bereit erklärt, das Experiment zu wagen. Nun, nach vier Jahren und täglicher Benützung der Küche, sieht die Oberfläche, bis auf die materialtypische Patina, immer noch wie neu aus. Einzig neben dem Spülbecken habe das Material stellenweise gelitten, wie Bossard sagt. «Leider konnte ich die Kundschaft im Vorfeld auch nicht von einem Spülbecken mit Abtropffläche überzeugen, und so ist das Linoleum in diesem Bereich nun deutlich aufgeraut, und es haben sich Kalkflecken gebildet.»
Vielversprechende Versuche
Anhand entsprechender Muster soll sich nun zeigen, ob die Abdeckung durch Anschleifen und Ölen gerettet werden kann oder ob es eines Ersatzes bedarf. Die ersten Versuche seien zwar vielversprechend gewesen, allerdings müsse sich noch zeigen, ob sich die gleiche Anwendung auch auf der Fläche der montierten Abdeckung umsetzen lässt. Denn was sich schon bei den ersten Mustern gezeigt hat: Wenn abgeschliffen wird, muss wohl die ganze Fläche gemacht werden, denn der Glanzgrad des Materials sei kaum zu reproduzieren. «Wir werden wohl auch noch Versuche mit Entkalkern und speziellen Pflegemitteln für Linoleum machen», sagt Bossard. Da sich die Oberfläche des Materials durch das Wasser aber etwas aufgestellt hat, werde wohl dennoch eine mechanische Bearbeitung vonnöten sein.
Wertvolle Erfahrungen
Den aktuellen Mehraufwand nimmt Bossard gerne in Kauf, da sie dabei viel für zukünftige Projekte lernen könne. «Die Frage, ob eine beschädigte Linoleumoberfläche zwingend ausgetauscht werden muss, taucht immer wieder auf.»
Und auch wenn sich in diesem Fall gezeigt hat, dass das Material nicht überall die beste Wahl ist, macht Linoleum definitiv auch in der Küche eine gute Figur. «Gerade bei einer Küchenabdeckung steht und fällt es natürlich mit der nötigen Sorgfalt und Pflege seitens der Kundschaft», sagt Bossard. «Das Schöne ist aber, dass die Leute, die explizit Linoleum wünschen, meist sehr vorsichtig sind mit ihren Möbeln.»