Serie und individuelle Fertigung
Betriebsorganisation. Damit in einer Firma und mit derselben Belegschaft Serienmöbel sowie individuelle Innenausbauten geplant und hergestellt werden können, braucht es das Beste aus beiden Welten. Das Beispiel der MAB Möbel AG zeigt, wie dies funktionieren kann.
Eine stetig wachsende Bevölkerung braucht auch immer wieder neue Möbel, was für die Branche schon mal ganz gut ist. Die Bedürfnisse und Prioritäten der hiesigen Gesellschaft haben sich aber in eine Richtung entwickelt, in der das persönliche Prestige nicht mehr von einer möglichst hochwertigen Einrichtung abhängt. Denn die wird immer wieder gerne und häufig gewechselt und soll daher vor allem günstig sein. Reisen und andere weltliche Genüsse werden immer wichtiger.
Mit der Verbreitung des Internets stand den Endkunden ein viel grösserer Markt mit direkten Preisvergleichen zur Verfügung, was den hiesigen Markt in starkem Mass verändert und das Dasein von Möbelfabrikanten und Fachhändlern erschwert hat.
Vorhandenes bildet die Grundlage
Als Andreas und Marco Föhn von ihrem Vater die Leitung der MAB Möbel AG in Muotathal SZ übernommen haben, war die Firma auf die serielle Herstellung von Möbeln für den Wohn- und den Schlafbereich ausgelegt. Die Firma war so strukturiert, dass im ZweiWochen-Rhythmus wiederkehrende Komponenten von Serienmöbeln hergestellt und zwischengelagert wurden. Und der Vertrieb erfolgte natürlich ausschliesslich über den Möbelfachhandel.
Wer einen schon seit mehreren Jahrzehnten laufenden Betrieb übernehmen kann, hat den grossen Vorteil gegenüber einem Neugründer, dass die positiven Aspekte der bereits gelebten Betriebsorganisation bekannt sein dürften. Für Zielsetzungen und daraus resultierende Neuausrichtungen kann man sich an gemachten Erfahrungen orientieren und aufgrund deren neue, eigene Wege suchen.
Ein passendes zweites Standbein
Für die Geschwister Föhn war klar, dass die eingleisige Vorgehensweise wie bisher zu unsicher und somit nicht mehr alleinig zukunftsweisend war. Als zweites Standbein wurde der gehobene Innenausbau gewählt. Viele produktionstechnische Dinge kommen in beiden Bereichen vor, und das notwendige Fachwissen der Inhaber war von deren Ausbildungen und früheren Tätigkeiten her vorhanden. Die individuelle Produktion im Innenausbau läuft aber anders als die Serienfertigung.
Vor der Ausführung umfassend geplant
Dass sich die Serienproduktion im Zwei-Wochen-Rhythmus nicht mit einer individuellen Fertigung verträgt, war klar. Das war dann auch die erste grosse Hürde.
Die exakte und bis auf die letzte Schraube definierende Serienplanung, die bei der Ausführung genauso exakt und diskussionslos eingehalten werden muss, erwies sich allerdings auch für den Innenausbau als Vorteil. Das ist eine der wichtigen Grundlagen, um das gesteckte Ziel einer zusammengelegten Produktion mit Losgrösse eins realisieren zu können. Eine gemischte Produktion erlaubt keinerlei Improvisationen. Der vermeintlich grössere Aufwand bei der Planung relativiert sich aber, denn dort werden die Details und Zusammenhänge ja geschaffen, geprüft und für ähnliche Aufgaben als veränderbares Normdetail in die digitale Bibliothek hinterlegt. Für Ausführungsentscheide in der Produktion fehlt dort hingegen jeglicher relevante Hintergrund. Wichtig sind aber die Rückmeldungen von den Ausführenden, damit in der Planung richtig entschieden wird und man gegenseitig lernt und weiterkommt.
Lean Management
Eine solche Umstellung der Produktion verlangt nach Profis in allen Bereichen, die äusserst transparent und gemeinsam diesen Weg gehen. Das läuft natürlich nicht stolperfrei, ist aber möglich. Es wurde entschieden, die Unternehmensphilosophie Lean Management zur Anwendung zu bringen – also eine schlanke (lean) Unternehmensführung, die darauf zielt, Verschwendung in jeglicher Form zu erkennen und zu reduzieren. Wirklich jeder Mitarbeiter ist involviert. Das führt einerseits zu Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerung, und andererseits maximiert es den Wert für den Kunden durch eine gleichbleibend hohe Qualität. Zudem steigt im Verlauf auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter, da sie ein wichtiger Teil des Ganzen sind und ihre Anliegen Gewicht haben.
Damit überhaupt alle auf den Zug mit «Lean» aufspringen und ihre eigenen Fähigkeiten einbringen konnten, mussten alle Mitarbeiter erst einmal abgeholt und geschult werden, was anfangs Zeit brauchte. Daneben wurde mit einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) begonnen, bei dem auch jetzt jeder Mitarbeiter immer die Möglichkeit hat, Schwachstellen aufzuzeigen und Verbesserungen vorzuschlagen. Das brauchte ebenfalls viel Zeit. Gerade in der Anfangsphase konnte aber recht viel umgesetzt werden. Andreas Föhn ist verantwortlich für Produktion und Entwicklung und sagt: «Niemand hat Zeit. Nimmt man sie sich aber nicht, um neuen Ideen nachzugehen, gibt es auch keine Verbesserungen.» Der Aufwand für den KVP wurde durch das Erreichte ausgeglichen und erhöhte die Akzeptanz.
Ganz konkret optimieren
Beim Aufbau der Digitalisierung wurde mit dem Objektbereich begonnen und die Serienfertigung später in Angriff genommen. Es war einfacher, den ohnehin neuen Bereich gleich in gewünschter Weise aufzubauen. Im Zuge der Optimierungen wurden manche Maschinen, Einrichtungen oder Werkzeuge ausgetauscht oder aber beibehalten. Ziel ist es, produktiver zu werden und doch flexibel genug zu bleiben, ohne Leerläufe.
Beispielsweise wird nach der Teilefertigung und deren Überprüfung sowie dem Abhaken auf den Fertigungspapieren das komplette Beschlägepaket mit allen Schrauben etc. dazugegeben. Diese Beschläge werden dann verbaut und der allfällige Rest zur späteren Montage mitgegeben. Nur schon das zentrale Verwalten und Abpacken dieser Beschläge sorgt für einen gesunden Lagerbestand und reduziert die Laufwege im Betrieb deutlich. Durch gezielte Arbeitsteilungen und einen immer besser werdenden Informationsfluss konnten Produktivität und Qualität in allen Bereichen äusserst erfreulich gesteigert werden, ohne dass es zu mehr Stress gekommen wäre. Besonders im Möbelbereich ist das durch den Austausch mit den Händlern auch gut nachweisbar, beispielsweise dank eines deutlichen Rückganges von Fehllieferungen und Reklamationen.
Stufen des Wandels
In der MAB Möbel AG wurde 2017 mit dem Lean-System mit dem Ziel gestartet, dass bis Ende 2023 beide Produktionen gemischt laufen können – und das mit der Losgrösse eins. Tatsächlich hat es etwas länger gedauert, aber bis Ende 2025 wird die Produktion umgestellt sein. «Ziel war und ist nicht ‹Lean›, sondern kontinuierlich besser zu werden», sagt Andreas Föhn. Dazu musste die Vorgehensweise über die Jahre, durch die bereits erreichten Dinge mehrmals angepasst werden. In der Startphase wurde das Lean-System mithilfe von zwei Praktikanten von der Berner Fachhochschule aus Biel BE aufgebaut und von ihnen begleitet. Bei monatlich stattfindenden Lean-Tagen, mit allen Bereichen, wurde durch die Mitarbeiter sehr vieles gleich umgesetzt. Da hatte auch jeder an diesen Tagen genug zu tun. Im weiteren Verlauf gab es für den KVP dann getrennte Sitzungen der Bereichsleiter, welche die Resultate der erst täglichen und jetzt noch zweimal wöchentlich stattfindenden kurzen Zusammenkünfte in ihren Bereichen mitbrachten.
Die Erfahrungen in den vergangenen sieben Jahren sind derart positiv, dass mit dem Jahresbeginn ein speziell ausgebildeter Lean Manager fest angestellt wurde. Optimierung ist ein Thema, welches nie abgeschlossen sein kann, denn es geht immer besser, man muss nur den Mut haben, etwas zu verändern.