Moderne Technologie trifft klassisches Handwerk: Warum die CNC-Fräse kein Feind des Holzgewerbes ist
Die Shaper Origin verbindet Präzision mit Handarbeit. Im Interview zeigt Andreas Rhyner von Shaper Tools eindrücklich auf, wie neue Technologie das klassische Holzhandwerk nicht ersetzt, sondern erweitert – und wie das ein kleines Missgeschick unterstreicht.
Wie verändert Ihre Technologie das klassische Holzhandwerk?
Es ist nicht unüblich im Gespräch mit Fachleuten die Meinung anzutreffen, dass unsere Technologie den „Tod des klassischen Holzhandwerks“ darstellt. Was in dieser Diskussion jedoch schnell vergessen geht, ist der Fakt, dass unser Handwerk nicht nur daraus besteht, in Präzisionsarbeit mit Säge und Stechbeitel saubere Zinken zu fertigen. Genauso wichtig sind die Aspekte Planung, Gestaltung und das zugehörige Wissen. Ein Beispiel dafür, wie unsere Produkte hier reinspielen, habe ich vor ein paar Jahren selbst erlebt. Beim Bau eines Nussbaumtisches war ich mit der Aufgabe konfrontiert, Gratleisten einzufräsen, womit ich in meinen vorherigen sechs Jahren im Küchenbau noch nie zu tun hatte. Daher entschied ich mich vorab für den Bau eines kleinen Prototyps. Wer schon mit der Shaper Origin gearbeitet hat, kennt die Versatzfunktion und dementsprechend genau konnte ich die Passung fertigen. Was ich leider nicht bedacht hatte, war die Verjüngung auf zwei Dritteln der Gratleiste. Ein kleines Missgeschick, was dazu führte, dass ich die Teile nur mit stark zunehmendem Kraftaufwand und dementsprechender Gefahr für das Werkstück montieren konnte. Die Anpassung in der 2D-Zeichnung, welche der Maschine als Fräspfad dient, war im CAD schnell gemacht und bescherte der Tischplatte schlussendlich zwei Gratleisten, wie sie im Bilderbuch stehen. Die Moral der Geschichte? Ich habe die Gratleiste zwar nicht auf die herkömmliche Weise hergestellt, durch das vorherige Gestalten des Fräspfades konnte ich aber einen komplett anderen Bezug zu der Technik hinter dieser Anwendung gewinnen. Unsere Technologie mag vielleicht den Fokus etwas vom manuellen Aspekt des klassischen Handwerks nehmen, bietet aber eine völlig neue Art, in unser Handwerk einzutauchen, es weiterzuentwickeln und kommenden Generationen weiterzugeben.
Wo sehen Sie den grössten Mehrwert der Shaper Origin im täglichen Einsatz von Holzprofis?
Pauschal ist das schwierig zu beantworten, da es stark vom jeweiligen Betrieb abhängt. Etwas, womit praktisch alle konfrontiert sind, ist die Aus- und Weiterbildung. Hier bietet die Shaper Origin nicht nur im Prototypenbau und dem Vermitteln von Wissen völlig neue Möglichkeiten wie in Frage 1 beschrieben, sondern kann auch als Einstieg in die CNC-Technik dienen. Im Vergleich zu stationärer CNC-Technik ist die Bedienung wesentlich einfacher, verfügt aber über die gleichen Parameter wie beispielsweise Versatz, Vorschub, Drehzahl oder die Zustelltiefe. Durch die händische Bedienung hat man sofort eine „Rückmeldung“ der Maschine und merkt relativ schnell, wenn die Parameter nicht stimmen. Selbstverständlich gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie die Shaper Origin sonst im Schreineralltag eingesetzt werden kann. Da das den Rahmen dieses Interviews sprengen würde, verweise ich hier gerne auf einen Besuch an unserem Messestand.
Welche neuen Produkte oder Lösungen präsentieren Sie an der diesjährigen Holz?
Wer uns kennt, weiss, dass wir eine handgeführte CNC-Maschine herstellen, was nun jedoch nicht mehr ganz korrekt ist. Vor wenigen Wochen durften wir unser neustes Produkt „BenchPilot“ erstmals der Öffentlichkeit zeigen. Dabei handelt es sich nicht um ein eigenständiges Produkt, sondern um ein Zubehörteil in unserem System. Grob ausgedrückt ist es nichts weiter als eine maschinelle Führung, welche die Shaper Origin in einem gewissen Bereich selbstständig bewegen kann. Wir haben nun also die Möglichkeit, bei Bedarf kleinere aufwändige Fräsarbeiten automatisiert erstellen zu lassen. Da das System mit der Workstation kompatibel ist, lassen sich auch komplexe Werkstücke vergleichsweise einfach spannen.
Inwiefern tragen Ihre Lösungen zur Ressourcenschonung und nachhaltigen Produktion bei?
Die Mobilität unseres Systems ist hier sicher ein wichtiger Faktor. So bietet sich die Möglichkeit, präzise Fräsungen auf der Baustelle vorzunehmen, was sonst unter Umständen den Transport eines Bauteils in die Werkstatt und zurück auf die Baustelle erfordert hätte. Eine interessante Anwendung ist auch das Einlassen von organisch geformten Zapfen, beispielsweise bei einer Reparatur in einem Möbel oder im Parkett. Wenn die Zapfen der Holzmaserung folgen, sind sie im Werkteil häufig fast nicht mehr zu sehen. Dementsprechend lassen sich gewisse Dinge reparieren, die ansonsten vielleicht ausgewechselt und weggeworfen worden wären. Ein entsprechendes Video haben wir auf der Plattform Holz hochgeladen.
Ein weiterer Faktor kann der geringe Stromverbrauch sein. Wenn es darum geht, nur schnell einen Beschlag einzulassen, muss ich also nicht zwingend die grosse CNC-Maschine starten.
Gibt es ein spannendes Projekt, bei dem Shaper Origin zum Einsatz kam?
Schon beim Gedanken an die vielen Abschlussarbeiten von Lernenden fallen mir unzählige beeindruckende Beispiele ein. Was in letzter Zeit jedoch von Umfang und Komplexität her alles in den Schatten stellt, ist eine Gruppe Parkettleger- und Schreinermeister, die sich „Parkettleger on Tour“ nennt. Ihr Ziel ist, für eine Woche im Jahr einen historischen Boden in einem öffentlichen Gebäude zu restaurieren, die Arbeit ist ehrenamtlich. Seit gut drei Jahren ist unsere Maschine ein Teil dieses Unterfangens. Es ist unglaublich beeindruckend zu sehen, was in wenigen Tagen mit derartiger Fachkompetenz alles möglich ist. Auf Instagram oder YouTube kann man sich die beeindruckenden Bilder und Videos anschauen.
Wie sehen Sie die Entwicklung digital unterstützter Holzbearbeitung in den kommenden fünf Jahren?
Auch wenn die Schreinerbranche in dieser Hinsicht eher konservativ aufgestellt ist, gehe ich nicht davon aus, dass sich der technische Wandel in den nächsten Jahren abschwächen wird. Gerade Themen wie der Fachkräftemangel zwingen die Betriebe zur Innovation. So hält zum Beispiel die Beschickung von Maschinen mittels Roboterarmen Einzug in viele, vor allem grössere Werkstätten. Es würde mich nicht wundern, wenn Roboterarme in Zukunft vermehrt auch für kleinere und individuellere Arbeiten wie Schleifen oder Lackieren eine breitere Anwendung finden. Das Potenzial ist jedenfalls da. Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Trend ist AI, also künstliche Intelligenz. Hier denke ich, dass diese vor allem im AVOR und Projektleitungsbereich Chancen bietet. Es wird jedenfalls spannend bleiben.
Über Andreas Rhyner
Andreas Rhyner ist Techniker HF Holztechnik und arbeitet seit 2019 als Event Manager für Europa bei der Shaper Tools GmbH.
Über Shaper Tools
Shaper verbindet zukunftsorientiertes Denken mit vertrautem Handwerk. Mit der handgeführten CNC Fräse Origin wird moderne Technologie auf einfache und wirtschaftliche Weise nutzbar. Ein wachsendes Produktportfolio an Services und Zubehör bietet Nutzerinnen und Nutzern ein neuartiges Fräserlebnis.
Shaper Tools ist seit Ende 2018 als eigenständige Gesellschaft in die TTS Tooltechnic Systems Gruppe eingegliedert, zu der auch die bekannten Marken Festool, Tanos und SawStop gehören. 2019 folgte die Gründung der Shaper Tools GmbH mit Sitz in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart, was gleichzeitig den Start der europäischen Markteinführung von Origin markierte.
Heute arbeiten rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unterschiedlichsten Bereichen an der stetigen Weiterentwicklung und Vermarktung des wachsenden Portfolios sowie der umfassenden Betreuung und Schulung der Anwenderinnen und Anwender.